Allgemeines
Besondere Himmelsobjekte
Hinweis: Dieser Abschnitt ist in Bearbeitung.
Ursprung des Sternbilds Schütze
Darstellung des Schützen im Atlas Farnese
Dem griechischen Mythos zufolge soll der Schütze Krotos darstellen, den Sohn des Hirtengottes Pan, der mit seinem bocksbeinigen Unterkörper selbst ein Mischwesen zweifelhafter Herkunft war. Krotos soll die Kunst des Bogenschießens erfunden haben und gern zur Jagd geritten sein. Nicht ganz einig waren sich die antiken Autoren, ob Krotos zwei Beine (wie sein Vater Pan) oder vier Beine (wie ein Kentaur) gehabt hatte. Auf dem Atlas Farnese, einem römischen Himmelsglobus aus der Zeit um 150 n. Chr., der wohl auf einer älteren griechischen Vorlage beruht, ist der Schütze als zweibeiniges Wesen dargestellt. Er ähnelt mit seinen Bocksbeinen den Darstellungen des Pan.Abbildung eines Bogenschützen als doppelköpfiges Mischwesen auf einem mesopotamischen Grenzstein: Der Pferdeleib mit menschlichem Oberkörper ist zusätzlich mit Flügeln, dem Schwanz eines Skorpions und dem Kopf eines Raubtiers ausgestattet. (Quelle: Wm. J. Hinke: A New Boundary Stone of Nebuchadrezzar I. from Nippur. Philadelphia 1907.)
Der Schütze ist ein altes babylonisches Sternbild
Allerdings überdeckt der griechische Mythos eine ältere Tradition, die aus dem mesopotamischen Raum stammt. Abbildungen des bogenschießenden Kentaur finden sich sowohl auf babylonischen Grenzsteinen, den sogenannten kudurrus, als auch auf Rollsiegeln aus dem 2. Jahrtausend v. Chr.
Eine eindeutige Interpretation der archäologischen Funde aus jener Zeit ist zwar schwierig; allgemein nehmen die Forscher aber an, dass es sich um den Jagdgott Pabilsag handelt. In den Keilschrifttafeln des MUL.APIN, die im Zeitraum zwischen 1100 und 700 v. Chr. entstanden, ist das Sternbild PA.BIL.SAG enthalten. Es wird als unser heutiger Schütze gedeutet.
Als wäre ein Kentaur als Mischwesen aus Mensch und Pferd nicht schon seltsam genug, enthält die babylonische Darstellung die Attribute von weiteren Tieren: In der hier im Bild gezeigten Umzeichnung ist der Kentaur noch mit den Flügeln eines Greifvogels und dem stachelbewehrten Schwanz eines Skorpions ausgestattet. Zu allem Überfluss wächst ihm noch der Kopf eines wilden Tieres aus dem Nacken.
Die Ansammlung von Symbolen der göttlichen Stärke wird lediglich von den Scherenarmen eines Skorpions bedroht, der unterhalb dieses schwer zu deutenden Mischwesens stilisiert abgebildet ist.
Umzeichnung des Sternbilds Schütze, wie es im Tierkreis eines Tempels im ägyptischen Dendera dargestellt ist. (Quelle: Wm. J. Hinke: A New Boundary Stone of Nebuchadrezzar I. from Nippur. Philadelphia 1907.)
Der Schütze im Tierkreis von Dendera
Skizze eines antiken Kriegers mit Ephaptis: Der Umhang lässt sich um den linken Arm wickeln und wirkt damit als einfacher Schild. (Bild: Le Dictionnaire des Antiquités Grecque et Romaines de Daremberg et Saglio.)
Verwandlung eines Sternbilds
Die Griechen haben diese traditionelle Darstellung des Mischwesens abgewandelt. Claudius Ptolemäus bezeichnete das Sternbild in seinem Almagest als Bogenschütze (τοξότης), und hatte damit offenbar keinen Jäger, sondern einen Krieger im Sinn. Passend dazu mutierten die Flügel beziehungsweise der aus dem Nacken wachsende Kopf eines wilden Tieres zum Accessoire eines Soldaten. Ptolemäus nannte es Ephaptis (ἐφαπτίς, von ἐφάπτω, anheften, daranbinden). Es handelte sich um eine Art Umhang, der über den Schultern befestigt war. In diesen Umhang konnte der Soldat seinen linken Arm einwickeln, um ihn im Kampf notdürftig zu schützen.
Spätere Astronomen und Kartografen kannten die Bedeutung dieses Kleidungsstücks offenbar nicht mehr. Sie banden in den bildlichen Darstellungen dem Kentauren ein flügelähnliches Fell oder wehende Tücher um den Hals. Als Beispiele sind hier die entsprechenden Karten des Schützen aus der Uranometria des Johann Bayer (1572 – 1625) und dem Sternatlas von Johannes Hevelius (1611 – 1687) gezeigt.
Eine Doppelseite aus dem historischen Sternatlas von Johann Bayer zeigt das Sternbild Schütze in der von Ptolemäus beschriebenen Weise als Kentaur. Mit dem schraffierten Band um die Ekliptik herum markierte Bayer den Bereich, in dem sich die Planeten bewegen können. (Bild: Mit freundlicher Genehmigung des Verlags aus der Faksimile-Ausgabe der Uranometria 1603 von Johann Bayer, KunstSCHÄTZEverlag 2010, und der Universitätsbibliothek Heidelberg.)
Eine Seite aus dem Sternatlas von Johannes Hevelius zeigt das Sternbild Schütze (Sagittarius) als Kentauren mit wehendem Halstuch. (Aus: Johannes Hevelius, Sternenatlas, russische Ausgabe, Taschkent 1978. Repro: Uwe Reichert)
Quellen:
- M. Krebernik: Pabilsaĝ(a). In: Bayerische Akademie der Wissenschaften: Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie. Berlin 1928, S. 160–167,
- Wm. J. Hinke: A New Boundary Stone of Nebuchadrezzar I. from Nippur. Philadelphia 1907. (Internet Archive)
- John H. Rogers: Origins of the ancient constellations: I. The Mesopotamian traditions. Journal of the British Astronomical Association 108, S. 9-28 (1998)